SOCIAL MEDIA MARKETING

Facebook Lip Sync: Das Ende von Musical.ly?

Paul Schütz, Founder & Managing Partner, Hamburg

13. Juni 2018

Anfang des Jahres kündigte Facebook eine Reihe von Musiklizenz-Deals an, um es Nutzern zu ermöglichen, populäre Songs zu ihren Beiträgen hinzuzufügen, ohne Angst vor Urheberrechtsverletzungen zu haben. Gleichzeitig wies der blaue Riese auch darauf hin, dass „neue Musikerfahrungen“ in ihre Apps einfließen, die diese Lizenzpartnerschaften auf kreative Weise einbeziehen würden. Und jetzt hat das neugeborene Kind einen Namen: Facebook Lip Sync.

Erinnert euch das an ein bestehendes Social Network? Uns auch. Und die ganze Story wirkt wie ein Deja-Vu. Wir werfen einen Blick auf Facebook Lip Sync und die Ähnlichkeit zu Musical.ly. Wird Facebook nach Snapchat nun auch Musical.ly ins Schwitzen bringen?

Facebook Lip Sync ist da.

Jetzt sehen wir die ersten Instanzen dieser neuen Optionen: Facebook macht es einfacher, Musik zu hochgeladenen Videos und Stories hinzuzufügen. Außerdem startet Facebook eine ‚Lip Sync Live‘-Funktion für Facebook Live, mit der man seine Lieblingssongs in guter alter Mini-Playback-Show-Manier nachahmen kann.

Facebooks Lip Sync Ankündigung:

“With Lip Sync Live, you can express yourself with music from a variety of genres in real time. So whether you prefer songs like “Happier” by Ed Sheeran or “God’s Plan” by Drake, Lip Sync Live lets you bring friends and family into spontaneous musical moments. When broadcasting with Lip Sync Live, friends will see the artist and song highlighted on the video and can tap to follow the artist on Facebook.”

Zum Aktivieren von Lip Sync Live wählt man die entsprechende Option, bevor man eine Facebook Live-Übertragung startet. Von dort aus sucht man sich den passenden Song, den man spielen möchte, und schon kann es nach einem klassischen Livestream-Countdown losgehen. Zusätzlich gibt es weitere Spielereien wie Face Filter und unterschiedliche Backgrounds.

Die Parallelen zu Musical.ly sind offensichtlich:

Bei Musical.ly kann man kurze Videos bzw. Stories erstellen, in denen man zu bekannten Songs „mitsingt“. Wie gesagt: Die Mini-Playback-Show des neuen Jahrhunderts. Über 200 Millionen registrierte User lockt das Social Network regelmäßig an. Musical.ly hat ähnlich wie Instagram und YouTube bereits seine eigenen Social Media Stars ans Tageslicht gebracht. Bekanntestes deutsches Beispiel: Lisa und Lena. Die Zwillinge sind durch ihre Musical.ly Choreographien zur waschechten Marke aufgestiegen und haben mittlerweile sogar ihr eigenes Modelabel namens J1MO71.

In gewisser Weise hat Musical.ly auch davon profitiert, ein Ersatz für Vine zu sein, oder zumindest eine abgeänderte Option. Die mittlerweile nicht mehr existierende 6-Sekunden-Video-App Vine war extrem erfolgreich damit, eine in sich geschlossene Community zu bauen. Leider scheiterte es letztlich an der Monetarisierung der Inhalte. Musical.ly hat für viele einen vergleichbaren kreativen Absatzmarkt durch lustige, kurze Videoclips geschaffen.

Ein Schlüsselelement des Erfolgs von Vine waren auch Musikclips – die Plattform veröffentlichte sogar eine eigene ‚Remix‘-Option, die es Usern ermöglichte, die Audiospur von anderen Vines aufzugreifen und in neuen Kreationen zu nutzen.

Angesichts der Popularität beider Apps war es offensichtlich nur eine Frage der Zeit, bis Facebook eine ähnliche Funktion auf seiner Plattform zur Verfügung stellen würde. Wir erinnern uns an den Fall Snapchat: Nachdem Evan Spiegel jedes Kaufangebot für Snapchat seitens Facebook ausgeschlagen hatte, folgte kurze Zeit später eine 1:1 Kopie des Stories-Formats auf Instagram und Facebook. If you can’t beat them, buy them. If you can’t buy them, copy them. Und jetzt ist Musical.ly dran.

Dieses Meme fasst es gut zusammen:

 

Das Ende von Musical.ly?

Was bedeutet das nun für Musical.ly als Social Network? Sollte man jegliche Anstrengungen, Strategien und Influencer-Marketing-Kampagnen auf der Plattform stoppen und die Plattform für tot erklären?

Man muss sich darüber bewusst sein, dass Facebook Lip Sync garantiert in Kürze auch bei Instagram ausgerollt wird und dann wird’s richtig lustig. 200 Millionen Musical.ly Nutzer sind keine Konkurrenz für Instagrams User Base mit über 800 Millionen aktiven Nutzern.

Aktuell hat Musical.ly noch zwei entscheidende Vorteile, die Facebook nicht so einfach kopieren kann. Erstens lebt die Musical.ly Community von ihrer sehr jungen Zielgruppe. Diese ist im Vergleich eher an Snapchat zu messen, wenn nicht sogar noch einmal ein deutliches Stück jünger. Und daraus resultiert auch der zweite Vorteil: Facebook ist einfach nicht mehr cool. Jedoch: Instagram hat dieses Problem (noch) nicht.

Übrigens: Wenn man sich fragt, wann eine Plattform seine Frische und Coolness verliert, ist die Antwort IMMER: Sobald die Eltern, Tanten, Onkel etc. auch am Start sind.

Dennoch: Musical.ly muss nun handeln. Da passt es sicherlich gut, dass das soziale Netzwerk Ende letzten Jahres vom chinesischen Mediagiganten Bytedance für geschätzt eine Milliarde US-Dollar aufgekauft wurde. Bytedance bezeichnet sich selbst als „AI-powered Content Plattform“. Musical.ly sah in Bytedance den richtigen Technologiepartner, um die eigene Plattform weiter auszubauen. Dies wird jetzt auch durch Facebooks Offensive dringend nötig.

Es bleibt nur noch eins zu sagen:

The fight is on!